Bad Tölz ehrt Thomas Mann mit einem Festival

Thomas Mann Portrait
Thomas Mann schuf in Bad Tölz bedeutende Werke wie „Tod in Venedig“. Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv, Fotograf Unbekannt
Von 24. bis 29. Oktober veranstaltet Bad Tölz erstmals ein großes Thomas-Mann-Festival. Eröffnet wird das Event, das die Lübecker Thomas-Mann-Gesellschaft unterstützt und das fortan alle zwei Jahre Literaturliebhaber in die Isarstadt locken soll, bereits am 18. Oktober. Der bekannte Tenor Julian Prégardien interpretiert Lieblingslieder von Thomas Mann. Im Mittelpunkt aller Lesungen, Vorträge sowie Lieder- und Kino-Soirees steht die Meisternovelle „Der Tod in Venedig“, in der einige Reminiszenzen an Bad Tölz auftauchen. Die enge Verbundenheit des Romanciers mit der Kurstadt – zwischen 1909 und 1917 verbrachte Familie Mann die Sommer und so manchen Winter in Tölz – blitzt im späteren Werk des Weltliteraten immer wieder auf. Der Tölzer Martin Hake kennt die Orte, die den Schriftsteller einst inspiriert haben, aus eigenem Erleben. Der 67-Jährige wohnt neben der ehemaligen Thomas-Mann-Villa und erforscht seit Jahren die Verbindung zwischen seiner Heimatstadt und dem Nobelpreisträger.
Martin Hake forscht über Thomas Mann
Martin Hake wuchs neben der Thomas-Mann-Villa auf und kennt viele Spielplätze der Mann-Kinder aus der eigenen Kindheit. Bild: Privat

„Als ich mit fünf Jahren in die Heißstraße zog und mir meine Eltern erzählten, dass nebenan einst ein berühmter deutscher Schriftsteller gelebt hat, habe ich dem natürlich wenig Bedeutung zugemessen“, blickt Martin Hake zurück. Als aber in den 1960er Jahren eine Thomas-Mann-Gedenktafel vor dem Nachbarhaus aufgestellt wurde, sei sein Interesse für den verstorbenen Literaten langsam erwacht und der erste Roman, die „Buddenbrooks“, schnell verschlungen gewesen. Doch zunächst hat der gebürtige Essener erst einmal andere Wege eingeschlagen. Er zog fort und arbeitete bis zur Rente als Maschinenbauingenieur. Erst 1999, mit Hakes Rückkehr ins Elternhaus, begann die intensive Beschäftigung mit Thomas Mann.

„Ich begann, alte Fotos und Postkarten aus der Umgebung zu sammeln, die Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen worden sind“, erzählt Hake. Diese würzen seit 2017 die Führungen, auf denen der Pensionär interessierten Gästen die Orte nahebringt, die für die Familie Mann, aber auch für den Literaten selbst eine große Rolle gespielt haben. Der Bahnhof, an dem die Manns zur Sommerfrische ankamen, der Klammerweiher, in dem die Kinder das Schwimmen lernten, der Rodelberg, auf dem sie Schlitten fuhren. Auch während des Festivals bietet Hake eine Führung auf dem circa drei Kilometer langen Thomas-Mann-Themenweg an.

„Plötzlich hielt ich einen Original-Thomas-Mann-Brief in Händen, es war völlig überraschend“, beschreibt der Hobbyforscher den erhebenden Moment im Tölzer Stadtarchiv, als er während einer Recherche auf einmal handschriftliche Zeilen des Weltliteraten aus einem Stapel Dokumente hervorzog. „200 Mark, umgerechnet etwa 1100 Euro, hat Thomas Mann 1911 für den Bau eines Kindergenesungsheims hier in Bad Tölz gespendet“, sagt Hake. Noch einige weitere Originalbriefe von Thomas Mann und seiner Frau Katia sollte der Geschichtsforscher entdecken und in ihm immer mehr die Gewissheit reifen: „Die Spielplätze meiner Kindheit waren dieselben wie die der Mann-Kinder, nur 50 Jahre später. Unter den Kastanienbäumen, unter denen Golo, Erika, Klaus und Monika ihr Frühstück im Garten serviert bekamen, sammelten Hake und seine Schwestern später Kastanien. Im Wald hinterm Haus, über den Klaus Mann später schrieb: „Unser Wald ist einzigartig“, ging der Nachwuchs des Literaten auf Beerensuche, während der Vater sorgfältig mit Stahlfeder und Tinte die Novelle „Der Tod in Venedig“ niederschrieb. Hake sollte hier einige Jahrzehnte später Indianer spielen.
Familie Mann vor ihrer Villa in Bad Tölz
Die Familie Mann liebte ihren Landsitz in der Isarstadt. Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv, Fotograf Unbekannt
Danach gefragt, worauf er sich im Oktober am meisten freue, fällt dem Tölzer Mann-Experten die Antwort schwer. Vielleicht der Vortrag Professor Dieter Borchmeyers über „Die Rache des Dionysos“, die Lesung der Novelle mit Musik von Thomas Loibl und Perry Schack oder doch die literarische Stadtführung in München, die Dr. Dirk Heißerer, der Vorsitzende des Thomas Mann Forum München e.V., anbietet? Eins ist klar, wann immer Martin Hake von einer der vielfältigen Festival-Aktivitäten zurückkehrt, wird er beim Blick aus dem Fenster auf die Villa schauen, der ihr ehemaliger Besitzer im „Der Tod in Venedig“ mit folgenden Worten gedenkt: „… erinnerte er (Gustav von Aschenbach) sich seines Landsitzes in den Bergen, der Stätte seines sommerlichen Ringens, wo die Wolken tief durch den Garten zogen, fürchterliche Gewitter am Abend das Licht des Hauses löschten und die Raben, die er fütterte, sich in den Wipfeln der Fichten schwangen.“
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